MARCK, W. von der (1863)

Fossile Fische, Krebse und Pflanzen aus dem Plattenkalk der jüngsten Kreide in Westphalen.

Palaeontographica, 11: 1-83, pl. 1-14.

 

page 65 – page 68

 

Ordnung : Elasmobranchii Bonap.

Unterabtheilung: PLAGIOSTOMI

Familie: Squalidae Müll. Sippe: Scyllia Müll.

Gattung: Palaeoscyllium m.

Von Haifischen kommen wohl einzelne Theile, namentlich Zähne und Wirbel in der Westphälischen Kreide horizontal und vertikal sehr verbreitet vor; dagegen gehören voll- ständigere Fische der Art zu den grössten Seltenheiten. Broun führt in seiner Lethaea von Haifischen, welche im Kreidegebirge zusammenhängendere Körpertheile hinterlassen haben, nur den Scylliodus antiquus Ag. aus der Kreide von Kent und die Thyellina angusta Münst. aus der der Westphälischen Kreide angehörigen Hügelgruppe der Baumberge zwischen Münster von Coesfeld auf.

In meinen öfter erwähnten Notizen: Ueber einige Wirbelthiere, Crustaceen und Cephalopoden der Westphälischen Kreide" habe ich in Zweifel gezogen, dass Thyellina angusta aus den Baumbergen herrühre, hauptsächlich deshalb, weil weder Geinitz in der Aufzählung der Versteinerungen des Deutschen Quadergebirges, noch F. A. Römer in seinen Versteinerungen des Norddeutschen Kreidegebirges, noch endlich Ferd. Römer in seinen Untersuchungen über die Kreidebildungen Westphalens" dieses Haifisches gedenken. Wenn ich nunmehr meinen früher ausgesprochenen Zweifel zurücknehmen, so sehe ich mich dazu durch einen inzwischen in der jüngsten Westphälischen Kreide aufgefundenen Hai veranlasst, der zwar von Thyellina angusta Münst. in Grösse und Stellung der Brustflossen auffallend verschieden ist, ihm aber doch durch andere Charaktere so nahe steht, dass ich es nicht mehr für unmöglich halte, dass beide Species in Schichten von gleichem oder doch sehr naheliegenden geologischen Alter vorkommen. Dafür würde auch die Abbildung bei Agassiz sprechen, welche den Fisch mit brauner Farbe auf hellgelbem Steine darstellt, was an die Fische in den Baumbergen erinnert

Thyellina angusta Münst. wird zu den Scyllien gerechnet, wie ich es auch mit dem mir vorliegenden Hai thue. Zunächst bestimmt mich hiezu Grösse, Habitus, dann aber auch die Kleinheit und die ungezähnelte Schneide der Zähnchen, die feine Chagrin-Haut und das Fehlen der Flossenstacheln. Vom Genus Scyllium unterscheidet sich vorliegender Fisch durch den Mangel der Nebenzähnchen an den Zähnen und durch starke Entwickelung der Brustflossen, wodurch er neben Squatina den Uebergang von den Haien zu den Rochen vermittelt. Durch letztgenanntes Merkmal weicht er auch von Thyellina angusta ab, deren Wirbel überdies höher als lang sind, während bei unserem Hai die Höhe der Länge gleichkommt. Phorcynis catulina Thiol. aus den lithographischen Schiefern des oberen Jura von Cirin in Frankreich (Thiolliere, poissons fossiles du Jura dans le Bugey, I. p. 9, t. 3. f. 2) besitzt ebenfalls einige Aehnlichkeit. Doch sind auch bei diesem die Brustflossen geringer entwickelt.

Es ist nur erst ein Exemplar in beiden Gegenplatten aufgefunden. Der Fisch stellt sich in der Rückenlage, d. h. mit nach oben gerichteter Maulspalte dar; der wahrscheinlich cylindrische Körper ist verdreht, so dass nur eine Bauchflosse und ebenfalls nur eine Rückenflosse sichtbar ist.

Genus: Palaeoscyllium m.

Schnautze stumpf, gerundet. Maul einen Zoll von der Schnautzenspitze entfernt, bogenförmig gekrümmt, 1 1/4 Zoll weit. Zähnchen gegen eine halbe bis dreiviertel Linie hoch und eben so lang, mit rückwärts gerichteter Spitze, scharfschneidig, ohne Zähnelung und ohne Nebenzähnchen. Grosse rhomboidale Brustflossen; Bauchflossen dem vorderen Theil der Klinge eines Baummessers ähnlich geformt; die Rückenflosse, welche die hintere seyn wird, reicht bis zu der dem Beginn der Afterflosse entsprechenden Gegend.

An der Versteinerung wird nicht mit Sicherheit erkannt, ob eine von der Schwanzflosse getrennte Afterflosse vorhanden war oder nicht. Bekanntlich giebt es auch unter den dornlosen Haien, wie z. B. unter den Squatina-Arten, einige, die keine eigentliche Afterflosse besitzen, sondern eine Schwanzflosse, die sich auf eine gewisse Länge an der Ober- und Unterseite des Schwanzes fortzieht. Bei anderen Haien, wie Spinax, noch mehr bei Mustelus, zieht sich hauptsächlich der untere Lappen der Schwanzflosse soweit nach vorn, dass man eine mit der Afterflosse verschmolzene Schwanzflosse zu sehen glaubt. Dasselbe könnte bei unserem Palaeoscyllium ebenfalls der Fall seyn , wo jedoch die Schwanzflosse so viel Aehnlichkeit mit Scyllium canicula zeigt, dass ich vermuthen möchte, dass die Afterflosse wie in letzterem Fisch beschaffen war, und wohl nahe an die Schwanzflosse reichte, aber gleichwohl eine selbstständige Flosse bildete. Die Schwanzflosse ist von massiger Grösse; der vor ihr vorliegende Abdruck ist nicht ganz deutlich; sie scheint eine sehr geringe Ausschweifung zu besitzen, und ihre Lappen werden in Grösse nicht sehr verschieden gewesen seyn.

Palaeoscyllium Decheni m. Taf. VIII Fig. 6 - 9

Palaeoscyllium decheni nov. sp.Palaeoscyllium decheni nov. sp. Tafel VIII fig. 6-9Palaeoscyllium decheni fig 7, 8, 9

 

Palaeoscyllium decheni nov. sp.

© J. Pollerspöck, www.shark-references.com

Holotypus, Geologisch-Paläontologisches Institut der Universität Münster, Nr. 8491 + 8492

 

Die Species habe ich nach dem Herrn Ober-Berghauptmann von Dechen, dem geist- reichen Geologen und gründlichsten Erforscher des heimathlichen Gebirges, mir zu benennen erlaubt, zugleich auch als ein öffentliches Zeichen meiner Dankbarkeit.

Der Fisch besitzt 16 Zoll 8 Linien Totallänge; seine grösste Höhe beträgt 1 Zoll 11,5 Linien, und zwar gleich hinter dem Kopfe, von wo dieselbe allmählich abnimmt, so dass sie am Schwänze nur noch 7 Linien misst.

Der Kopf ist bis zum ersten erkennbaren Rückenwirbel 2 Zoll lang und in dieser Gegend beinahe eben so hoch, während seine Breite in der Gegend des Maules 1 Zoll 9 Linien beträgt. Das Ende der Schnautze ist breit oval abgerundet; die Maulspalte liegt 1 Zoll davon entfernt und hat die Form eines Halbkreises von 1 Zoll Durchmesser. Von den bereits beschriebenen und Taf. VIII. Fig. 8 abgebildeten Zähnchen erkennt man ungefähr 30 mehr oder minder deutlich. Zwischen dem Maul und der Spitze der Schnautze bemerkt man auch etwas von der Chagrin-Haut. Das Stück ist fast 1 Linie breit und 9 Linien lang, fast zweimal sigmaförmig gebogen und an den Rändern wie in den Ammoniten die Loben der Kammerwände gefranset. Ich muss es unentschieden lassen, ob sich hiedurch die bei Scyllium vorkommende, die Nasenlöcher mit dem Maul verbindende Leiste zu erkennen giebt; ganz ähnliche Zeichnungen treten auch zwischen dem ersten Wirbel und dem Maul auf. Da der Kopf sich von der Unterseite darstellt, so lassen sich die Augen und Spritzlöcher ebenso wenig erkennen als die Kiemenspalten.

Man zählt gegen 120 Rückenwirbel, welche zwischen den Brustflossen 2 Linien laug und hoch, zwischen Bauch- und Rückenflossen 1,3 Linien lang und hoch sind. Die Mitte des Wirbels ist nur halb so hoch als das Ende; Taf. VIII. Fig. 7.

An vielen Stellen des Körpers, namentlich auf den Flossen und am Kopf, erkennt man die Chagrin-Haut, welche aus viereckigen erhöhten Plättchen besteht (Fig. 9). An einer deutlichen Stelle erhält man für die ziemlich grossen Plättchen 1/10 Linie Länge und 1/15 Linie Breite. Zwischen den Brust- und Bauchflossen beschreibt der Körper einen Bogen, auch wechselt hier die Rückenlage mit der Seitenlage unter Bildung einer Reihe stark hervor- tretender Hautfalten. Zwischen den Brustflossen bemerkt man eine unregelmässig geformte, kreideweisse Masse, die sich bei näherer Untersuchung reich an phosphorsaurer Kalkerde erwies, und in der kleine Fischwirbel lagen. Der Körper besteht daher ohne Zweifel in Coprolithen-Masse, die noch im Innern des Fisches liegt.

Die Brustflossen fangen in einer Entfernung von ungefähr 3 Zoll von der Spitze der Schnautze an und sind unter allen Flossen am stärksten entwickelt, wodurch die Aehnlichkeit mit gewissen Rajiden-Arten unverkennbar hervortritt. Diese Flossen sind rhombisch, gegen 2 Zoll lang und nicht weniger hoch, fast durchgehends mit Chagrin bekleidet und an ihrer Einlenkung mit dunkleren Längsstreifen, welche durch Querstreifen zu anastomosiren scheinen , bedeckt. Es lässt sich hierin eine Andeutung zur Bildung von Flossenstrahlen erkennen. Auch an den Rücken- und Bauchflossen bemerkt man ähnliche, wenn auch schwächere Streifungen.

Die Bauchflossen, von denen nur die eine sichtbar ist, beginnen 4 Zoll vom Anfange der Brustflossen , sind 1 Zoll 3 Linien lang und 7 Linien hoch und besitzen, wie erwähnt, die Form des vorderen Theils von der Klinge eines Baummessers.

Die Rückenflosse, von denen ebenfalls nur die eine sichtbar ist, beginnt 3 Zoll 2 Linien von der Gegend der Einlenkung des vorderen Endes der Bauchflosse, sie ist 2 Zoll 1 Linie lang und 6 Linien hoch, und reicht bis zu der dem Beginn der Afterflosse gegenüberliegen- den Stelle.

Die Afterflosse zieht sich fast bis zur Schwanzflosse, ist 3 Zoll 1 Linie lang und bei ihrem Anfang 5 Linien hoch.

Die sehr flach ausgeschnittene Schwanzflosse ist gegen 1 Zoll lang und 11 Linien hoch.

 

Das beschriebene Exemplar stammt aus den Steinbrüchen des Arenfeldes.

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References for Palaeoscyllium decheni

Current status: Valid as: Paratriakis decheni

Rhinobatos tesselatus 
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